Let’s Talk About… koloniale Strukturen in ausgesteller Kunst
Diese Aktion setzt sich zum Ziel, mit Interessierten und Besucher:innen des Humboldt Forums über koloniale Strukturen in ausgestellter Kunst im Allgemeinen und die Kunst im Humboldt Forum im Speziellen, ins Gespräch zu kommen. Dabei dient der folgende Text als Einstieg für jene, die sich neu mit den Themen koloniale Strukturen (speziell in Berlin), sowie die Problematik dieser, vor allem in der Kunst, auseinandersetzen wollen.
Das Humboldt Forums
Das Museum Humboldt Forum umfasst eine Schausammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, des Stadtmuseums Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin. Drei Seiten der Fassade sind nach Vorlagen des ehemaligen Berliner Schlosses rekonstruiert worden. Das ehemalige Berliner Schloss diente zunächst ab 1443 als Hauptresidenz der brandenburgischen Kurfürsten, später dann auch den preußischen Königen und den deutschen Kaisern. Ab 1918 wurde es hauptsächlich bis 1945, als es teilweise ausgebrannt ist, als Kunst- und Wissenschaftseinrichtung genutzt. 1950 wurde es dann von der SED Führung gesprengt, um eine Fläche für einen Demonstrationsplatz zu gewinnen. Auf diesem wurde im späteren Verlauf der Palast der Republik errichtet, welcher 2008 wieder komplett abgerissen wurde, um Platz für das jetzige Humboldt Forum zu schaffen. Das Humboldt Forum wurde für insgesamt 677 Millionen Euro von dem italienischen Architekten Franco Stello entworfen und erbaut. Eine erste digitale Eröffnung erfolgte im Dezember 2020, seit letztem Sommer (2021) ist es für alle Besucher zugänglich. Die verschiedenen Nutzungsparteien haben in den Etagen jeweils individuelle Räumlichkeiten. Das Humboldt Labor (Humboldt Universität zu Berlin) und die Berlin Ausstellung des Stadtmuseum befinden sich im 1. OG. Die Ausstellungen des Ethnologischen Museum Berlin befinden sich im 2.OG, die Ausstellungsstücke des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen im 3.OG.
Umstrittene Kunstgüter
Ein Anliegen dieser Aktion ist es, über die umstritten ausgestellte Kunst im Humboldt Forum zu sprechen. Bei dieser Debatte fallen oft die Begriffe “Raubkunst, Beutekunst und Restitution”. Wenn diese Begriffe neu für dich sind, schaue dir gerne hier unseren Beitrag an, in dem wir die Begriffe genauer erklären. Das Zentrum der Debatte um Raubkunst im Humboldt Forum bilden die Kunstgüter das “Luv Boot” und die Benin Bronze aus Nigeria.
Das Luv Boot
Das mehr als 120 Jahre alte Auslegerboot “Luf Boot”, ist das Kernstück der Ozeanien-Sammlung des Ethnologischen Museums. Um 1900 wurde das Boot auf der Insel Luf, heute Papua-Neuguinea, als Hochseeboot (Handels- oder Kriegsboot) gebaut. Jedoch wurde es nie von den Menschen der Insel genutzt, da es nach einer Strafexpedition der Deutschen nicht mehr genug Personen gab, die das Boot bedienen konnten. Es wurde dann 1903 von einem deutschen Kaufmann “erworben”, der es an das Berliner Museum für Völkerkunde weiterverkauft. Über den konkreten “Erwerb” des Bootes gibt es keine Dokumente und generell ist der Verkauf fraglich. Es stellt sich die Frage, ob die Bewohner:innen der Insel Luf eine Wahl hatten, den Verkauf des Bootes zu verhindern. Aufgrund seiner Größe wurde das Boot noch vor Fertigstellung des Gebäudes, ins Humboldt Forum gebracht.
Benin Bronzen
Auch um die Benin Bronze wird intensiv eine Debatte geführt. Die 3500 bis 4000 Bronzen wurden 1897 von britischen Kolonialtruppen aus dem Königspalast in Benin City, heutiges Nigeria, geraubt. Nach dem Raub steckten die britischen Truppen die Stadt in Brand. Bei späteren Verkäufen gelangten etwa 1100 dieser Bronzen nach Deutschland, allein 440 nach Berlin. Der Besitz dieser Bronzen ist soweit legal, jedoch nicht legitim. Sie wurden offiziell bei den Verkäufen erstanden, was zunächst bedeutet, dass sie legal sind. Jedoch wurden die Bronzen von britischen Truppen geraubt, was den Besitz moralisch nicht legitimiert. Vor der Eröffnung des Humboldt Forums forderte der nigerianische Botschafter Yusuf Tuggar in einem “formellen Schreiben” an die damalige Kanzlerin Merkel und die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters um die “Restitution” (also die Rückgabe) der Benin Bronzen. Das Auswärtige Amt gibt an, dass seit August 2019 diplomatische Gespräche mit der nigerianischen Regierungen geführt werden. Die Benin Bronzen sollen mit der Eröffnung des Ostflügels im Spätsommer 2022, den Besucher:innen zugänglich gemacht werden. Die neue Kuratorin des Humboldt Forums Verena Rodatus, gab zuletzt an, im ständigen Kontakt mit Partner:innen in Nigeria zu stehen und zunächst nur eine komprimierte Anzahl von Bronzen auszustellen. Das Ziel der Zusammenarbeit mit den nigerianischen Partner:innen sei es, eine nachhaltige Kooperation zu führen. Ein Umstand ist dabei besonders wichtig: Deutschland hat mittlerweile zugesichert, die Benin Bronzen zurückzugeben. Nur noch mit Zustimmung der nigerianischen Regierung sollen Stücke der Benin Bronze als Leihgaben ausgestellt werden.
Debatte um das Humboldt Forum
Bereits 2017 veröffentlichte die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy schwere Vorwürfe gegen die Betreiber des Humboldt Forums. Sie trat aus der Expert:innenkommission des Humboldt Forums aus und kritisierte das hierarchische Gefüge und die fehlende Autonomie der einzelnen Nutzungsparteein. Des Weiteren vermisste sie eine ausreichende Provenienzaufklärung, sowie eine engere Verzahnung der Sammlung und der Wissenschaft. Es ist wichtig, auf diese hegemonialen Strukturen und Dynamiken aufmerksam zu machen, und sich zu fragen, wer von der Ausstellung dieser Kunst - zu Unrecht - profitiert. Die Intendanten des Forums, damals bestehend aus den Gründungsintendanten Neil MacGregor vom Britischen Museum, den SPK-Präsidenten Herman Parzinger und dem Kunsthistoriker Horst Bredekamp, wiesen die Vorwürfe zurück. Vor allem die geführte Provenienzforschung bezeichneten sie als “DNA” des Humboldt Forums.
Schlagzeilen machte das Humboldt Forum weiterhin. Letzten Herbst beispielsweise reagierte das Humboldt Forum, mit der Ausrichtung der Podiumsdiskussion “Inventur - Kolonialismus und Ethnologie im Pazifik”. Bei dieser wurden über die Probleme von kolonialen Überbleibseln im Museumswesen debattiert. Lars-Christian Koch, der Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst in Berlin, räumte bei dieser Veranstaltung Fehler ein. Er verwies aber auch auf, die sich neu entwickelnde Strukturen im Humboldt Forum, hin. Laut Koch sei es für die Zukunft besonders wichtig, eine Strategie zu entwickeln, wie mit dem Thema Kolonialismus, vor allem in dem Bereich der Provenienzforschung, umgegangen werden soll.
Letztendlich ist die Aufarbeitung des Kolonialismus und der Umgang damit ein aktiver Prozess, in dem wir uns befinden. Wichtig für uns ist es heute, gemeinsam darüber zu sprechen und sich das Thema und die Debatte wieder ins Gedächtnis zu rufen. Sehr gute Worte für die Verantwortung die wir alle dabei haben, hat bei der Eröffnung des Humboldt Forums unser Bundespräsident gefunden:
„Die Verbrechen der Kolonialzeit, Eroberung, Unterdrückung, Ausbeutung, Raub, Mord an Zehntausenden von Menschen, brauchen einen angemessenen Ort der Erinnerung. Wir müssen uns der Verantwortung vor diesem Teil der deutschen Geschichte stellen. Und dabei geht es eben immer auch um unsere Zukunft, wir sagen, um unser Zusammenleben in einem Land, in dem die Weltkulturen zu Hause sind und sein wollen.“ - Frank-Walter Steinmeier
Du möchtest gern noch mehr über koloniale Strukturen an deutschen und europäischen Museen erfahren? Dann schaue dir gerne die Liste der weiterführenden Quellen an:
Podcast und Reportagen:
Koloniale Raubkunst zurückgeben? Was dann? | mal angenommen – tagesschau-Podcast
(https://www.youtube.com/watch?v=Q9BRWuiNPyQ)
Schwieriges Erbe: Wie das Humboldt Forum seine Schätze präsentiert | rbb Kultur (Reportage)
(https://www.rbb-online.de/rbbkultur-magazin/reportagen/humboldtforum.html#top)
Das Humboldt Forum - Raubkunst in Berlin | ZDF Magazin Royale (https://www.youtube.com/watch?v=CCU3bxBfk00)
Textquellen:
https://www.dw.com/de/benin-bronzen-raubkunst-nigeria-restitution-2022/a-57383823
https://www.dw.com/de/koloniale-raubkunst-die-bereitschaft-zur-rückgabe-ist-da/a-46620271